Mittwoch, 30. September 2015

Loch Ness Marathon 2015

Es war fast wie mit Weihnachten: man weiß, dass es kommt und doch ist es plötzlich da! Ungefähr so ging es mir am Freitag, als wir uns nun endlich auf die Reise nach Schottland machten. Die Vorfreude währte beinahe schon ewig, das Training war über 16 Wochen konsequent durchgezogen worden und auch gut gelaufen. Die Reise war geplant (hier nachzulesen) und verlief auch wirklich reibungslos. Lediglich am Flughafen in Aberdeen mussten wir feststellen, dass die Bahnanbindung an den Flughafen nicht so gut war wie erwartet. Dadurch erhielten wir eine zusätzliche Stadtrundfahrt mit dem Bus durch Aberdeen und erwischten einen Zug später in Richtung Inverness. Dort holte uns ein Freund ab, der in der Nähe von Inverness wohnt und bei dessen Familie wir die nächsten Tage untergebracht waren.

Am Samstag hatten wir Zeit die Umgebung zu besichtigen, ehe wir uns auf den Weg nach Inverness in den Bught Park machten, um auf der Marathon-Messe im Start-/Zielbereich die Startnummer abzuholen und für das Rennen einzuchecken. Bei der Pasta-Party gab es neben Kohlenhydraten zu essen auch ein paar interessante Vorträge zu hören.
Startnummerausgabe
Mit meiner Tochter und der Startnummer im Event Village im Bught Park, Inverness
Pasta-Party
Die Nacht zum Sonntag verlief für mich dann eher unruhig. Einerseits wollte ich natürlich den frühen Wecker auf keinen Fall verpassen, andererseits machte sich auch die Aufregung und innere Unruhe wegen des Marathons breit. 

Um kurz nach 7 Uhr kam ich dann am Treffpunkt für die Busse im Bught Park in Inverness an. Nach den ersten paar Schritten sah ich bei einem Läufer eine deutsche Flagge mit Namen Christoph aufgedruckt - ein weiterer deutscher Läufer. Wir kamen ins Gespräch und bestiegen schließlich zusammen einen der zahlreichen Transferbusse. In einer langen Kolonne wurden wir über die Straße am nordwestlichen Loch Ness Ufer in Richtung Startbereich gefahren. Vorbei ging es an kleinen Orten und bekannten Sehenswürdigkeiten wie z.B. Urquarth Castle, bis wir schließlich das Startgebiet Whitebridge erreichten.
Mitten in den Highlands: der Startbereich
Die Läufer finden sich zur Startaufstellung ein
Dort fühlte man sich wirklich wie mitten im Nirgendwo! Kein Haus, kein Schuppen, nur die Weite der schottischen Highlands. Einfach eine traumhaft schöne Kulisse. Erstaunlicherweise standen am Wegesrand aber große Boxentürme, so dass Musik und ein Moderator Stimmung verbreiteten. Vor den zahlreichen aufgebauten mobilen Toiletten bildeten sich schnell lange Schlangen. Auf dem Weg war nicht viel Platz und alles drängte sich, so dass man bald nicht mehr merkte, wofür man eigentlich an stand. So merkten wir erst spät, dass wir nicht für die Toiletten, sondern für die Teeausgabe angestanden hatten...

Kurz vor dem Start, als sich die Läufer schon alle zur Startaufstellung eingefunden hatten, bahnte sich plötzlich eine Pipes&Drums-Gruppe ihren Weg durch die Starter. Für mich einer der Gänsehautmomente der Veranstaltung. Hier wurde mir richtig klar: du bist jetzt hier in den Highlands von Schottland am Start deines ersten Marathons! Darauf hatte ich mich ewig gefreut und nun war der Moment da und die Entenpelle stand wie eine Eins! 

Nach erfolgtem Startschuss dauerte es noch ein paar Minuten aufgrund der teilnehmenden Massen bis ich die Startlinie überquerte. Die hinter der Startlinie Spalierstehenden und Dudelsack spielende Kombo gab wieder eine Gänsehaut beim Vorbeilaufen und schon war ich mitten drin im Lauf. Das Startgebiet Whitebridge liegt auf gut 300 Meter Meereshöhe einige Meilen oberhalb Loch Ness. Zuerst ging es also durch eine wunderschöne Landschaft einige Kilometer weit fast ständig bergab - mal mehr mal weniger steil. Das wußte ich bereits vom Streckenprofil, welches auf der Seite der Veranstaltung einsehbar ist. Nicht aufgefallen war mir der kurze, aber steile Anstieg bei Kilometer 8. Dort ging es in ca 600 Metern wieder knapp 40 Höhenmeter hoch. Dies war praktisch das erste Mal beim Lauf, das man den Puls etwas hochtreiben musste. Vorher war es nur "Easy-Going". Meine Pace hatte ich allerdings absichtlich immer möglichst im Zaum gehalten (bei ca 6:15 min/km), um nicht quasi unbemerkt zu viel Energie zu verschleudern, die mir später hinten raus fehlen würde.
Ich hatte mir vorgenommen an allen verfügbaren Verpflegungsstationen etwas zu trinken und auch die Kohlenhydratzufuhr an den Stationen mit Gels oder Shot-Blocks zu nutzen. Das habe ich auch bis zum Schluss durchgehalten und so hatte ich eigentlich nie das Gefühl zu dehydrieren oder zu wenig gegessen zu haben. Einen kleinen Zwischenfall gab es für mich nur bei der ersten Station mit Gel. Ich griff ein Gel-Päckchen, riss es auf, zog das Gel in den Mund und musste feststellen das hier an der Station kein Wasser verfügbar war! Eine weitere Wasserstation gab es ein paar Hundert Meter weiter. 
Nachdem ich also das zähe Zeug ohne Wasser runter gewürgt hatte, hab ich mir an den späteren Stationen nur noch Shot-Blocks reichen lassen. Die haben eine ähnliche Konsistenz wie Gummibärchen, nur ein wenig weicher. Sie sind dadurch außerdem sehr gut portionierbar und so konnte ich jeweils einen nehmen und dann jede weitere Viertelstunde einen weiteren.

Bei Kilometer 16 ungefähr hat man dann endlich das direkte Ufer des Loch Ness erreicht. Hier hab ich mir auch die Zeit genommen kurz anzuhalten und ein paar Bilder von dem tollen Ausblick zu machen. Das hat mich zwar ein paar Minuten gekostet, war es mir aber durchaus wert!
Endlich direkt am Loch Ness, ca. bei KM 16
Der weitere Weg führt nun immer am Ufer entlang. Dabei ist der Weg wirklich hüglig. Es geht laufend immer wieder kleine Anstiege hoch und auch wieder herunter. Das ist zuerst nicht wirklich stark anstrengend, kostet aber doch einiges an Energie, quasi als schleichender Prozess, ohne das man es zuerst wirklich merkt. Ungefähr bei Kilometer 27 riss mir dann zu allem Überluss noch die Startnummer an der linken Seite vom Startnummerngürtel und fing an an mir herumzubaumeln. Ich war kurz vor Dores. Hier würde meine Frau mit meiner Tochter und unseren Freunden stehen. Also zog ich den Gürtel kurzerhand aus, um ein vollständiges Abreissen der Nummer zu verhindern und trug den Gürtel für knapp 1,5km in der Hand. In Dores fand ich schnell meine Frau. Sie flickte die Nummer mit Hilfe einer Sicherheitsnadel. Auch dieser kleine Stopp kostete mich ein paar Minuten. Dafür war aber die Nummer wieder fest und es bestand keine Gefahr mehr sie komplett zu verlieren und somit vielleicht sogar aus der Wertung zu fliegen. 
In Dores, mit reparierter Startnummer, ca. bei KM 28
Hinter Dores steht der schwierigste Teil der Strecke an. Über eine Strecke von knapp 4 Kilometern erstreckt sich ein Anstieg von ungefähr 70 Höhenmetern. Mit der bisher gelaufenen Strecke von knapp über 30 Kilometern und den ganzen kleinen Hügeln wurde dieser Anstieg zu einer Qual. Nicht zuletzt, weil sich hier am Hang die Sonne anlehnte und nicht wirklich Schottland-typisch Wärme verbreitete. Meine Jackenwahl vom Morgen ("Ist kühl, also die dickere Jacke...") bereitete mir hier auch Probleme und ich zog sie erst einmal aus. An Laufen war bei der Steigung für mich nicht zu denken und ich versuchte einen zügigen Schritt hinzubekommen. Irgendwann war der Anstieg geschafft. Netter- und Originellerweise gratulierte ein Schild am Wegesrand den Läufern zum absolvierten Berg: "Congratulations! You've done it!".
Ungefähr KM 30 - die Steigung von Dores Hill beginnt...
Die ersten Laufschritte nach dem Marsch berghoch taten dann auch ziemlich weh und der gesamte Laufstil fühlte sich mehr als unrund an. Immer mehr Läufer um mich herum wechselten zwischen Gehen und Laufen ab. Auch an ein paar Gefällestrecken ging das Abbremsen im Laufen extrem in die Beine. In der Nähe von Scaniport, ungefähr ab Kilometer 35 gibt es die letzte wirkliche Steigung der Strecke. Hier quälte ich mich auch gehend hoch. Neben mir sah ich ein gequältes Gesicht. Wie sich herausstellte war es Frank aus Manchester. Wir unterhielten uns ein wenig und trieben uns gegenseitig weiter an. Die letzten 5 Kilometer ging es nun durch Inverness. Der Zielbereich war schon zu hören auf der anderen Seite des River Ness! Bei Kilometer 40 ungefähr musste ich noch ein paar Gehschritte einlegen, die Muskeln in den Oberschenkeln fingen an sich wie Beton anzufühlen. Frank konnte nicht aufhören zu laufen und zog winkend davon. Angepeitscht durch die wirklich tollen Zuschauer, die nun immer dichter an  den Straßenrändern standen, gelang es mir aber wieder in den Trab zu kommen. Endlich erreichte ich die Ness Bridge, die den River Ness quert. Ab hier war es nur noch ein knapper Kilometer! Im Pulk der Läufer vor mir tauchte plötzlich Frank wieder auf - gehend. Im Vorbeilaufen klopfte ich ihm auf die Schulter und rief: "Come on, mate! Keep going! You can do it!" Er verfiel in den Trab und wir liefen das letzte Stück gemeinsam und überquerten auch die Ziellinie zeitgleich!
Kurz vor der Ziellinie!
Nach 5 Stunden und 5 Minuten war ich im Ziel. Zwischendurch, als ich merkte das es nicht klappen wird, die 5 Stunden-Marke zu knacken, ärgerte ich mich ein wenig darüber. Vor allem weil ich mit Fotos machen und Startnummernabriß insgesamt locker 7 bis 8 Minuten verplemmpert hatte...

Im Ziel war das allerdings alles vergessen und zweitranging. Der Stolz über den ersten absolvierten Marathon, noch dazu auf dieser anspruchsvollen Strecke, ist einfach stärker. Das wird bestimmt nicht der letzte Marathon gewesen sein!

Finisherfoto vor der offiziellen Fotowand
Zur Veranstaltung selber bleibt zu sagen, dass sie unheimlich gut durchorgansiert ist. Das reicht von den Transfers zum Start mit schier unendlich langen Buskolonnen bis hin zur Verpflegung rund um das Event. Die Leute in Schottland sind absolut freundlich und die Stimmung an der Strecke war sensationell! Die Landschaft die man während des Laufes zu sehen bekommt, tut ihr Übriges den Lauf zu einem unvergesslichen Erlebnis werden zu lassen.

Donnerstag, 10. September 2015

Nicht alles läuft immer glatt

Bisher hatte ich eine sehr gute Vorbereitung. Ich liege mit den Kilometern insgesamt noch vor dem Plan und bin ohne irgendwelche Blessuren davon gekommen. Lediglich einen Lauf musste ich sausen lassen aufgrund von unerträglicher Hitze. 

Am Dienstag früh wachte ich dann mit Halsschmerzen und leichten Schluckbeschwerden auf. Allgemein schlecht gefühlt hab ich mich nicht einmal, nur die Nase lief etwas und eben die Sache mit dem Hals. Dennoch war ich alarmiert. So knapp 2,5 Wochen vor dem Marathon wollte ich kein Risiko eingehen mir eine schwerere Erkältung einzufangen und am Ende noch flachzuliegen. Also hab ich den für Dienstag geplanten einstündigen langsamen Lauf sein gelassen und mir stattdessen eine heiße Zitrone nach der Anderen hinein geschüttet. Dazu gab es dann noch ein schön heißes Erkältungsbad. 


Nachdem ich gestern dann auch noch einen Ruhetag eingelegt habe, konnte ich heute schon wieder komplett beschwerdefrei meine Runden drehen. Aus dem geplanten Intervalltraining habe ich dann allerdings einen eineinhalbstündigen Lauf mit Tempowechseln gemacht. Zusammengekommen sind etwas mehr als 15km - und es fühlte sich gut an!

Manchmal ist es eben doch besser einmal etwas weniger zu machen und vielleicht auch mal einen Lauf auszulassen. Dafür kann man dann schneller und gestärkt wieder einsteigen.